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Schutz und Souveränität für Beschäftigte

Mehr Zeitsouveränität für Beschäftigte. In der Diskussion steht die Ausgestaltung der Arbeitszeit.

Beschäftigte fordern und benötigen zunehmend mehr Zeitsouveränität: um ihre Gesundheit zu schützen, zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf, zur Weiterbildung, in besonderen Lebensphasen und für eine bessere Work-Life-Balance. Darum stehen Fragen zur Arbeitszeit und deren Ausgestaltung sowie eine lebensphasenorientierte Personalpolitik aktuell in der Diskussion.

13.Oktober 2021

Spielräume für mehr Flexibilität im Interesse der Beschäftigten

Aus der Perspektive der Beschäftigten eröffnen unter anderem Arbeitszeitkonten, bezahlte Freistellungen, Ansprüche auf Teilzeit mit Rückkehrrecht in Vollzeit oder Mobilarbeit sowie Homeoffice Gestaltungsspielräume für flexible Lösungen. Es geht um eine neue Zeitsouveränität, die auch unterhalb der gesetzlichen Regelungsebene in Tarifverträgen und Betriebsvereinbarungen zum Ausdruck kommt. Als nicht mehr zeitgemäß erachten Arbeitgeber die gültige Arbeitszeitgesetzgebung, sie verweisen dabei auf den demografischen und digitalen Wandel, vor allem aber auf den Fachkräftebedarf, der einer „Flexibilisierung“ der Ruhezeiten und der Lockerung bei der Höchstarbeitszeit bedürfe. Die unterschiedlichen Interessen und Vorstellungen der Sozialpartnerinnen und -partner zur Flexibilisierung von Arbeitszeiten sind in tarifvertraglichen und betrieblichen Vereinbarungen nicht einfach miteinander zu verbinden.

Betriebe schöpfen ihre Möglichkeiten noch nicht aus

Bisher schöpfen viele Betriebe den im geltenden Arbeitszeitgesetz verankerten Spielraum einer flexiblen Gestaltung von Arbeitszeit ganz und gar nicht aus: Nur 40 Prozent der Beschäftigten im Land Bremen können beispielsweise Gleitzeitregelungen in Anspruch nehmen, nur gut ein Drittel der Betriebe ermöglichen Arbeitszeitkonten. Nur zwei Prozent der Betriebe führen ein Langzeitkonto mit der Möglichkeit eines Sabbaticals. Hier ist Luft nach oben für eine partizipative, flexible Gestaltung der Arbeitswelt.

Regulierung der Arbeitszeit – eine lange Geschichte mit neuer Aktualität

Das Arbeitszeitgesetz ist eines der ältesten Arbeitsschutzgesetze. Die Sicherstellung von Belastungsgrenzen und Zeiten für Erholung ist eine zentrale Voraussetzung dafür, dass die Gesundheit von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern erhalten bleibt. Meilensteine in der langen Tradition der Auseinandersetzungen um die Regulierung der Arbeitszeit waren etwa die Durchsetzung der 40-Stunden-Woche und des arbeitsfreien Samstags in den 1960er Jahren und später die teilweise Einführung einer 35-Stunden-Woche mit vollem Lohnausgleich. Diese Entwicklung folgte dem Leitbild eines männlichen Facharbeiters in stabiler, unbefristeter und tarifvertraglich abgesicherter Beschäftigung im traditionellen Normalarbeitsverhältnis (NAV) mit Kernarbeitszeiten zwischen 9 und 17 Uhr. Die Kehrseite davon erwies sich spätestens bei Ehe und Familiengründung in einer klaren Rollenverteilung zwischen den Geschlechtern, mit dem männlichen Allein- oder Hauptverdiener im Mittelpunkt und der stark auf Familie und Haushalt orientierten Frau an seiner Seite, allenfalls als Zuverdienerin und ohne entlohnte Sorgearbeit.

Im Zusammenhang mit umfangreichen Arbeitsmarkt- und Sozialreformen hat sich seit den 1990er Jahren die Tendenz zur Arbeitszeitverkürzung umgekehrt, das Normalarbeitsverhältnis hat zugleich an Bedeutung verloren. In vielen Bereichen sind (wieder) Arbeitszeiten an oder gar über der 40-Stunden-Grenze zur Regel geworden. Die Frauenerwerbstätigkeit hat erheblich zugenommen, jedoch überwiegend in den Bereichen Teilzeit und Minijobs. Dauerhaft freie Wochenenden gelten nur noch für eine knappe Mehrheit der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Befristungen sowie Arbeit auf Abruf und unbezahlte Wartezeiten haben zugenommen. Die Erreichbarkeit außerhalb der eigentlichen Arbeitszeiten wird vielfach erwartet und oft nicht vergütet.

Vielfältige Bedarfe und ambivalente Entwicklungen

Die Bedarfe sind vielfältig. Daher geht es in der aktuellen Debatte um Arbeitszeiten oftmals auch um Fragen jenseits formaler Wochenarbeitszeiten, etwa um die Arbeitszeitgestaltung in besonderen Lebensphasen. Auch die Frage nach der wirtschaftlichen Leistbarkeit für untere Einkommen muss hierbei in den Blick genommen werden. Die fortschreitende Digitalisierung und ihre Auswirkungen auf die Arbeitsgestaltung werden durchaus widersprüchlich diskutiert. Welche Souveränitätsgewinne ergeben sich für Beschäftigte durch mobiles Arbeiten einerseits? Und in welchem Umfang wird die ständige Erreichbarkeit dagegen als Belastung wahrgenommen?
Beschleunigter Strukturwandel, Automatisierungs- und Digitalisierungsschübe erfordern die Ausgestaltung niedrigschwelliger Weiterbildungsmöglichkeiten. Anreize für Betriebe und Beschäftigte, beispielsweise durch rechtlich verbriefte Freistellungansprüche, müssen geschaffen werden.

Vereinbarkeit als zentrales Gestaltungskriterium

Die Vereinbarkeit von Sorgearbeit und Beruf muss auch aus diesen Gründen ein zentraler Bestandteil von „guter Arbeit“ und Arbeitszeitgestaltung werden. Jüngere Beschäftigte hinterfragen zunehmend das traditionelle Rollenverständnis und suchen gemeinsam nach Lösungen für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Zudem nimmt die Tendenz zu, eine Familie nur durch zwei Einkommen finanzieren zu können. Rechtliche Anreize für eine geschlechtergerechte Teilhabe am Arbeitsmarkt und eine ebenso geschlechtergerechte Aufteilung der Sorgearbeit sind erforderlich, damit Freistellungsansprüche zum Zweck von Sorgearbeit eine stabile Arbeitsmarktintegration nicht (mehr) hemmen.

KontaktAKB003_Icon-Kontakt

Dr. Kai Huter
Referentin für Arbeitsschutz- und Gesundheitspolitik

Am Wall 195
28195 Bremen

Tel.: 0421/36301-991
Fax: 0421/36301-995

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